Nöggi

Original vom 18.12.2014

Wehrte Leserschaft, kürzlich wurde mir folgende Frage gestellt und ich möchte Euch gerne an meiner Antwort teilhaben lassen. Und so lautete die Frage des Journalisten:

„Was würde das Kind, das Du einst warst, über den Menschen denken, der Du jetzt bist?“

Warum möchte ich das überhaupt mit Euch teilen? Weil ich mir diese Frage noch nie gestellt habe. Aber es ist eine gute und wesentliche Frage! Sie bringt nämlich zum Vorschein, dass ich noch immer derselbe bin, wenn auch ganz anders. Nöggi, so wurde ich in meiner Kindheit gerufen, weil ich von zwei Bruno’s der kleinere war. Die Verniedlichungsform von Bruno heißt in der Schweiz ‚Brunöggi’. Ich bin zwar kein Freund von Verniedlichungen, aber herzig ist es trotzdem. Wenn es auch meist bedeutet, dass man sein Gegenüber nicht für voll nimmt, so bedeutet es doch auch, dass man geliebt wird. Ja, ich war ein anständiger, netter und umgänglicher Bub, vermutlich für alle außer für meine Eltern. Auch ich mache da keine Ausnahme. Kinder wissen genau wo die heiklen Punkte der anderen sind und auch, wann der beste Zeitpunkt zum Einsatz der ‚Action’ vorliegt. Unsere Kinder sind ja unsere ‚Themen’. Kein Wunder also regen sie uns mehr als alle anderen auf, denn wie schwierig ist es, dass genau jene Menschen, welche man am intensivsten liebt, die eigenen Kinder, uns so gnadenlos auf die Palme bringen und man sie doch liebt. Klar, wen man liebt, der kann uns verletzen. Sollte uns also mal ein ‚Fremder’ ärgern, dann wisse folgendes: Da existiert eine Ebene, auf welcher wir genau diesen Menschen über alles lieben. Wäre dem nicht so, dann würde es keinem möglich sein, meine Punkte zu drücken. Kurz: Ich war ein ganz normales Kind ohne böse Absichten und trotzdem… die ‚Fettnäpfchen’ habe ich immer gefunden. Aber genug von mir. Ich wollte damit eigentlich nur eines sagen:

Das Kind das ich einmal war, ist nie fort gegangen! Ich konnte es durch die Pubertät ins Erwachsenenalter hinüberretten. Ich fühle mich noch immer klein und jung. Manchmal überrascht es mich, dass andere Menschen und durchaus auch Erwachsene, mich trotzdem für ‚voll’ nehmen. Ich bin heute, wo ich diese Zeilen schreibe, 53 Jahre. Aber wenn ich Gleichaltrigen gegenüberstehe, dann sehen diese für mich alt aus. Nicht nur ihr Äußeres! Aber das Bewusstsein, wie sie denken, womit sie sich beschäftigen und ihre Standpunkte welche sie vertreten – und diese auch schon ein Leben lang verteidigen – das läßt sie sehr alt ausschauen für mich. Und wenn ich vergleiche, wie die anderen sich fühlen und wie ich mich fühle, dann sehe ich in mir ein glückliches und in den anderen ein trauriges, verletztes Kind. Traurige Kinder werden ernst. Ernst macht alt.

Wenn ich so darüber nachdenke was ich zu mir sagen würde, dann würde ich mir folgendes vorstellen können:

„Das hätte ich nicht gedacht. Du hast Dich wirklich gut gehalten. Selbst das ganze Leid, welches Du erfahren hast, hat Dich nicht davon abgebracht, Du selbst zu bleiben und immer und überall die Schönheit der Schöpfung zu sehen und zu bewundern. Respekt. Jetzt wo ich sehe wie viele Menschenkinder irgendwann und aus welchen Gründen auch immer die Rolle ihrer Vorfahren übernehmen und Erwachsen spielen, bist Du wirklich eine Ausnahme.

Ich weiß, dass Du das nicht so siehst. Du bist ja noch nicht der Bruno geworden. Aber Du bist ein Kind geblieben und als solches wirst Du auch den Bruno finden. Den Bruno findest Du dann, wenn Du den Nöggi mit nötiger Wertschätzung für voll nehmen kannst. Dies ist die Bedeutung dessen, wenn gesagt wird: Erleuchtung geschieht dann, wenn Du Bist, der Du bist. Wenn Du Dich jetzt wie ein Kind fühlst, dann nimm Du selbst dieses Kind für das Besondere was Dich ausmacht. Kinder sind immer authentisch, einzigartig, kreativ, neugierig und spielerisch unterwegs. So wie Du es noch heute bist.

Du suchst das Erwachsensein und findest den Ernst. Erwachsen ist es, wenn man so weit gewachsen ist, bis man ...[Mehr mit Premium]